Nick Cave auf der lit​.Colo​gne

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Nick Cave in enstpannter Talk-Runde mit dem irisch-stämmigen Journalisten Sean O’ Hagan – zusammen veröffentlichten sie das Buch „Glaube, Hoffnung und Gemetzel“

Die lit​.Colo​gne habe ich eigent­lich nicht so auf dem Schirm, obwohl ich hier vor Jah­ren einer Lesung von John Irving bei­wohnte. Daher habe ich mich sehr dar­über gefreut, dass Andrea mich dar­auf auf­merk­sam machte: Nick Cave stellt zusam­men mit sei­nem Co-Autor Sean O’Ha­gan auf der lit​.Colo​gne am 5. Juni – dem ein­zi­gen Deutsch­land-Ter­min – den gemein­sa­men Gesprächs­band „Glaube, Hoff­nung und Gemet­zel“ vor. Auch wenn ich das Buch bereits gele­sen hatte, ver­sprach ich mir eini­ges von die­ser Ver­an­stal­tung, zumal auch Gabi Inter­esse signa­li­sierte. Nun die Kar­ten waren nicht gerade bil­lig, aber Gabi gewann bei einer anschlie­ßen­den Online-Ver­lo­sung noch einen Zugang zu einer Signier­stunde mit den bei­den Autoren. Es ver­sprach also, ein inter­es­san­ter Abend zu werden.

So sind wir also dabei, als Cave im maß­ge­schnei­der­tem Anzug und O’Ha­gan vor knapp 1000 Zuhörer*innen im aus­ver­kauf­ten Thea­ter am Tanz­brun­nen tre­ten. Ein kur­zes Posen „just for the pho­to­graph­ers“ und die bei­den begin­nen mit ihrem Gespräch über buch­stäb­lich Gott und die Welt. Und das ist viel­leicht das Ange­nehme an die­sem Abend: Es ist keine Lesung im eigent­li­chen Sinne, son­dern man spricht über nahezu alle The­men, die auch bereits in „Glaube, Hoff­nung und Gemet­zel“ ange­spro­chen wur­den, und dabei han­delt es sich aus­drück­lich nicht, wie beide uner­müd­lich beto­nen, um ein Inter­view, son­dern um eine „Con­ver­sa­tion“. Tat­säch­lich gehört Cave zu den Pop­stars, die nur noch hand­ver­le­sen mit Jour­na­lis­ten spre­chen. Er sei ein­fach müde gewor­den, die immer glei­chen Fra­gen beant­wor­ten zu müs­sen – „it’s bor­ing“. Aber was heißt in die­sem Zusam­men­hang „Gespräch“? Natür­lich ist es auch an die­sem Abend Cave, der, wie bereits bei den mehr als 40 Stun­den, die die Gesprä­che zum Buch bean­sprucht haben sol­len, die meiste Zeit spricht. O’Hagan bleibt dann doch, wie nicht anders zu erwar­ten, eher Inter­viewer und Stich­wort­ge­ber. Aber die geplante Stunde ent­wi­ckelt sich doch zu einem sehr inten­si­ven, per­sön­li­chen Live-Talk mit inti­men, berüh­ren­den Ein­bli­cken in das Leben des Pop-Idols. Cave zeigt dabei wie­der ein­mal ein­drucks­voll, wie man auch im Rock‘n Roll-Busi­ness in Würde altern kann. Elo­quent, prä­zise, mal nach­denk­lich, mal mit dem ihm eige­nen Humor unter­hält er sich mit sei­nem Gegen­über. Wie in dem Buch wird dabei alles ange­spro­chen, was die Per­son Cave aus­macht: Tod und Trauer, Spaß und Punk, Kunst und Musik, und ja, auch Glaube und Hoff­nung. Man muss nicht allen Gedan­ken zustim­men, gerade seine Äuße­run­gen zu Gott und Kir­che finde ich als ehe­ma­li­ger katho­li­scher Inter­nats­schü­ler doch schon sehr befremd­lich und irri­tie­rend, aber Caves scho­nungs­lose Offen­heit und Ehr­lich­keit sind abso­lut bewun­derns­wert. Es würde hier zu weit füh­ren, in die Tiefe die­ses Gespräch ein­zu­stei­gen, aber allen, die es inter­es­siert, sei das Buch emp­foh­len. Der Abend im Tanz­brun­nen ist wie eine Kurz­form jenes Buches, wobei auch eini­ges ans Licht kommt, was im Buch noch nicht erwähnt wurde. So plant Cave mit den Bad Seeds ein neues Album und er ver­spricht, nach den doch eher „mini­ma­lis­ti­schen“ Wer­ken „Ghos­teen“ und „Car­nage“ wird es was ganz gro­ßes, mit bom­bas­ti­schem Sound, aber Ein­zel­hei­ten will er dann doch nicht verraten. 

Cave geht bei sei­ner Arbeit, wie er auch bei die­ser Gele­gen­heit wie­der bemerkt, extrem ziel­stre­big und struk­tu­riert vor, ent­spre­chend ist auch der gesamte Abend genau getak­tet: Das Gespräch auf der Bühne dau­ert wie geplant eine gute Stunde, im Anschluss dür­fen die Zuhörer*innen eine halbe Stunde unge­fil­tert Fra­gen stel­len, die Cave ähn­lich wie in sei­nen Red Hand Files empa­thisch und aus­führ­lich beant­wor­tet, und zum Abschluss bekom­men hun­dert glück­li­che Fans eine kurze Audi­enz mit den bei­den – und wäh­rend ich also vor der Halle stehe, lässt sich Gabi unser Buch mit einem Gruß und Auto­gramm ver­edeln. Auch hier zeigt Cave wie­der Größe: Eigent­lich sind hier keine Sel­fies erlaubt, aber „Well, we can’t pre­vent it!“. Also macht kur­zer­hand ein Mit­ar­bei­ter des Ver­an­stal­ters die gewünsch­ten Fotos vom Signier­mo­ment – siehe unten.

Noch kurz zum Buch „Glaube, Hoff­nung und Gemet­zel“: Das Buch ent­stand, wie gesagt, wäh­rend mehr als 40 Stun­den per­sön­li­cher Gesprä­che zwi­schen Nick Cave und Sean O’Ha­gan. Sie fan­den zwi­schen August 2020 und Herbst 2021 via Zoom statt. In der Zeit star­ben Caves Mut­ter Dawn, seine Freun­din Anita Lane, der Pro­du­zent Hal Will­ner und Chris Bai­ley von den Saints und schließ­lich kurz vor Druck­le­gung auch noch Caves ältes­ter Sohn Jet­hro in Mel­bourne. Es ist daher ein oft erschüt­tern­des Buch vol­ler Trauer und Leid, aber es ist unver­gleich­lich und abso­lut emp­feh­lens­wert – für Fans ohne­hin. Zuletzt wurde das Werk um ein aktu­el­les Kapi­tel aus dem Jahr 2023 erwei­tert. Es heißt „Two Years Later“ und the­ma­ti­siert (unter ande­rem) die Ver­ar­bei­tung des Todes sei­nes Soh­nes Jet­hro Lazenby. 

Nick Cave & Sean O'Hagan: Glaube, Hoffnung und Gemetzel

Nick Cave/Sean O’Hagan
Glaube, Hoff­nung und Gemet­zel
Über­setzt von: Chris­tian Lux
2022, Hard­co­ver, 336 Sei­ten
Kiepenheuer&Witsch

„Die Signierstunde“