Divide and Dissolve ist eine kraftvolle, energetische Drone-/Doom-Band aus Naarm (Melbourne), Australien. Die indigene Identität des Duos ist ein fester Bestandteil ihrer Arbeit: Saxophonistin und Gitarristin Takiaya Reed stammt aus Nordamerika und ist Cherokee, Perkussionistin Sylvie Nehill ist Māori und weiß-australischer Abstammung. Obwohl fast ausschließlich instrumental, verstehen sie sich als ausgesprochen politische Musikerinnen. Entsprechend äußern sie sich in ihren Interviews zum Erbe ihrer Vorfahren, zu kolonialer Gewalt und Diskriminierung, Alben und Tracks tragen gesellschaftspolitische Schlagworte als Titel, dennoch ist es schwierig, so ganz ohne Worte ihren Doom-Metal als inhärent politisch zu erkennen. Ein Anhaltspunkt vielleicht: die Wahl des Genres, bewegen sie sich doch in einem musikalischen Umfeld, in dem Frauen und People of Colour eigentlich nicht vorkommen. Im Jahr 2018 wurde ihr Musikvideo zum Track „Resistance“ von YouTube entfernt, nachdem es von einigen Politikern und Medien kritisiert wurde. Es zeigt sie, wie sie Denkmäler kolonialer Persönlichkeiten wie Captain James Cook und John Batman bespucken und mit urinfarbenem Wasser bespritzen. Mittlerweile ist das Video wieder online – allerdings mit Altersbeschränkung.
Divide and Dissolve
Systemic
Veröffentlicht: 30. Juni 2023
Label: Invada Records
In the kingdom of fear, a shadow hovers
Textausschnitt aus „Kingdom of Fear”
Over my cover of leaves and violets
A shadow is whispering, „I have agony on my side
I have experts on violence, I have control of the tide”
Systemic ist das vierte Album von Divide and Dissolve und wurde wie der Vorgänger „Gas Light“ von Ruban Neilson, Frontman des Unknown Mortal Orchestra, produziert. Der Sound ist durchgehend düster, dicht und überwältigend schwer. Harte Gitarrenriffs und unendlich geloopte Saxophone-Sounds werden begleitet von brutalen Drumsets. Systemic möchte uns durch eine Geschichte leiten, die mit Abscheulichkeit, Assimilation und kultureller Ausrottung beginnt, sich dann der Umkehrung, dem Widerstand und der Wiedergutmachung zuwendet, um mit der indigenen Souveränität zu enden. Dabei startet das Album mit „Want“ zunächst mit leichten, schrägen Streicherarrangements und zarten elektronischen Klängen, aber bereits im nächsten Track „Blood quantum“ löst sich diese Zartheit nach einem markanten Ambient-Intro in heftige Drones mit scheppernden Groves auf. Ein harter, mächtiger Sound, der auch auf den folgenden Tracks nicht verschwinden will. Einzige Ausnahme: „Kingdom of Fear“ — ein eher luftiger, getragener Spoken-Word-Track, in dem die Poetin Minori Sanchiz-Fung, die auch bereits auf „Gas Light“ einen Gastauftritt hatte, mit zitternder, aber kraftvoller Stimme rezitiert: „Even in the kingdom of fear, the air murmurs with song through the streets. Joy remains wild. It has baffled the cage again. It has cut through the horror.” Auch der letzteTrack „Desire“ kommt ganz ohne die metallische Härte aus und verbreitet ein wenig Hoffnung, auch er schlägt sanftere Klänge an und klingt schon fast ein wenig nach Versöhnung. Kann der Kampf gegen Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung letztendlich doch erfolgreich sein? Wie auch immer: Es ist ein Album mit einer überwältigenden Stimmung, das Schönheit und Angst miteinander verwebt und starke Botschaften ganz ohne Worte vermittelt will.
Zum Schluß noch ein selbstbewußtes, starkes Zitat von Takiaya Reed: „Wir lassen unsere Musik sprechen. Wir hauen sie mit unserem Sound um. Und die ganze Genderdebatte – oh, Mann, das interessiert mich alles nicht mehr! Ja, schon klar, ich bin schwarz, indigen und außerdem noch eine Frau. In dem Bereich und in dem Genre, in dem wir unterwegs sind, ist das natürlich ungewöhnlich. Frauenfeindlichkeit und Rassismus langweilen mich. Ernsthaft: Wir sind viel lauter und heavier als diese Typen. Haltet die Klappe, ihr nervt einfach!“