Die experimentelle Post-Punk-Band FACS wurde 2017 in Chicago von Brian Case (Gesang, Gitarre), Noah Leger (Schlagzeug) und Jonathan Van Herik (Gitarre) nach der Auflösung ihrer vorherigen Band Disappears gegründet – einer Formation, bei der zeitweise auch Steve Shelley von Sonic Youth am Schlagzeug spielte. Kurz nach der Gründung verließ Van Herik die Band und wurde durch Bassistin Alianna Kalaba ersetzt, wodurch sich Case stärker auf die Gitarre konzentrieren konnte. In dieser Besetzung veröffentlichte die Band mehrere Alben, darunter „Negative Houses “(2018), „Lifelike“ (2019), „Void Moments“ (2020) und „Present Tense“ (2021). Ihr fünftes Album, „Still Life in Decay“, erschien im April 2023. Etwas später kehrte Gründungsmitglied Jonathan Van Herik zurück und ersetzte die langjährige Bassistin Alianna Kalaba. Nun, im Februar 2025, veröffentlichen FACS ihr sechstes Studioalbum „Wish Defense“ und kündigten eine Europatournee an, die auch Auftritte in Deutschland umfasst. Aber was ist das für ein merkwürdiger Bandname? FACS eine Abkürzung des Begriffs „facsimile“ (Faksimile), und damit auf die Idee von Identität und Wiederholung hindeuten. FACS ist aber auch die Abkürzung für „Facial Action Coding System” (FACS, engl. für „Gesichtsbewegungs-Kodierungssystem“), einem unter Psychologen weltweit verbreitetem Kodierungsverfahren zur Beschreibung von Gesichtsausdrücken.
In a passion era,
Textausschnitt aus „Sometimes Only“
From a broken state
What shape is the dark?
And what shape is the hate?
Mit „Wish Defense“ veröffentlicht das Chicagoer Trio FACS sein sechstes Studioalbum – und es hat eine besondere historische Bedeutung: Es ist das letzte Werk, an dem der legendäre Produzent Steve Albini beteiligt war, bevor er im Mai 2024 verstarb. Die Aufnahmen fanden in den Electrical Audio Studios an nur zwei Tagen mit Albini an den Reglern statt. Nach seinem plötzlichen Tod übernahm Sanford Parker, um die letzten Overdubs und Gesangsspuren abzuschließen. Der Mix stammt von John Congleton, der sich strikt an Albinis Notizen hielt – seine knackige, rohe Handschrift ist deutlich zu erkennen.
Düstere, rohe Klanglandschaften
Musikalisch knüpft „Wish Defense“ an den düsteren, entrückten Post-Punk und Noise-Rock an, den FACS in den letzten Jahren perfektioniert haben: ein monoton treibender Bass, karge, dissonante Gitarrenlinien und wuchtige, präzise Drums. Die Texte von Brian Case – mehr Sprechgesang als Melodie – kreisen um Doppelgänger und Identitätsfragen, untermalt von dunklen, fast geisterhaften Klanglandschaften.
Das eröffnende „Talking Haunted“ setzt mit bedrückender Intensität den Ton für das Album. Laut Gitarrist und Sänger Brian Case wurde der Song von Naomi Kleins Buch „Doppelgänger: Ein Trip in die Spiegelwelt“ inspiriert. Er skizziert die Idee der Dualität des alltäglichen Lebens – die Wahrheit zu kennen, aber gleichzeitig eine alternative Version davon zuzulassen oder bewusst mit ihr zu spielen. Der Track endet mit einer Zeile aus einem Gedicht von Rainer Maria Rilke: „No feeling is final“. Tatsächlich ist das gesamte Album von der intensiven Auseinandersetzung mit Dualität und Selbstwahrnehmung geprägt. So beschäftigt sich der Titeltrack „Wish Defense“ direkt mit der Konfrontation mit dem eigenen Spiegelbild. Zeilen wie „Enter the mirror“ und „Double walker“ verstärken dieses Motiv. Auf „Sometimes Only“ thematisiert Brian Case den inneren Konflikt zwischen Selbstbild und den Erwartungen anderer – das Spannungsverhältnis zwischen persönlicher Identität und äußerer Wahrnehmung. Folgerichtig fungiert der Abschlusstrack „You Future“ als Dialog zwischen dem gegenwärtigen und dem zukünftigen Selbst. Der Song beginnt mit der Frage: „Are you the same as you were?“ und endet mit der Zeile: „Youth is a thrill, then it’s over.“ Diese Thematik untermalen FACS mit ihrem charakteristischen Post-Punk- und Noise-Rock-Sound, der eine Mischung aus ruppigem Chaos und fast harmonischem Riffing verbindet.
Kontrolliertes Chaos
„Wish Defense“ macht keine falschen Versprechungen: Es bleibt der kompromisslosen Klangästhetik der Band treu, verliert sich jedoch nie in reiner Monotonie. Stattdessen variieren FACS geschickt zwischen kontrolliertem Chaos und präziser Struktur, zwischen kaltem Noise und fast tranceartiger Melancholie.