Medicine
Maskierung und Verkleidung sind auch in der Musikszene längst im Mainstream angekommen. „The Residents“ aus San Franscico waren mit die ersten, das französische Duo „Daft Punk“ sicher nicht die letzten Masken-Musiker*innen. Masken mögen als Flucht vor Publicity dienen, als bewusste Abkehr vom Personenkult. Oder aber sie gehören einfach zum Kalkül, denn über die Maskierung und die daraus entstehenden Mythen und Geheimnisse bekommen diese Künstler*innen letztendlich eine größere Publicity und erreichen wie „The Residents“ einen gewissen Kultstatus. Die schwedische Experimentalpopband Goat setzt ebenfalls seit ihrem Debütalbum „World Music“ von 2012 dieses Versteckspiel gezielt ein: Sie verbergen ihre Identitäten stets hinter bizarren Kostümen und Masken. Nach eigenen Angaben stammen sie aus dem 500-Seelen-Dorf Korpilombolo nahe dem Polarkreis in der Region Norbotten, überprüfen lässt sich dieser selbst gestrickte Marketing-Mythos nicht. Als gesichert gilt, dass Goat aus drei festen Mitgliedern besteht, wobei diese live von weiteren Musiker*innen aus Göteborg verstärkt werden. Musikalisch springt Goat recht wild zwischen Psychedelic-Rock, Post-Punk und Worldbeat hin und her. Ansonsten baut die Band eine zur Musik passende Mythologie aus Einöde, Voodoo, Schamanismus und viel Spirituellem auf, zuweilen wirkt das dann allerdings auch arg esoterisch.
Textausschnitt aus „Join the Resistance”We’ll die, and our valuable information
Still makes no sense
What shall I make of this?
It has no end
Ein Jahr nach Veröffentlichung des letzten Goat-Albums „Oh Death“ erscheint nun der Nachfolger „Medicine“ auf Rocket Recordings. Der Sound dieses neuen Albums ist ein groovender Trip aus Afrobeat, Krautrock, Funk und 70s-Progressive-Rock und orientiert sich an schwedischem Seventies Prog Rock und Folk. Und wie alle Alben der mysteriösen Schweden kreist auch dieses Album um die Vergänglichkeit im Leben, das Verschwinden, Tod und Rituale. Und so mysteriös sich die Band gibt, so vage und nicht greifbar umschreibt das Kollektiv seine Musik: „We often talk about how all music is world music and all other genres are old fashioned. All you can hear is the universal similarity between all music. The music from some old cult in northern Sweden can be the same as the music from wherever.” Und so hat auch diese Medizin einen leicht bitteren Beigeschmack. Denn so gerne man sich dem geradlinigen Psychedelic-Rock und den Sitar-geschwängerten Grooves hingibt, gelegentlich ist es dann doch zuviel des Back-to-the-Hippie-Freedoms und der Anspielungen auf die Psych-Folk-Szene der 70er mit all den Flöten- und verzerrten Gitarrenklängen. Aber dennoch: Mir gefällt dieses Album mit seinen sanften Tribal-Grooves. „I Became the Unemployment Office“ beispielsweise, das in bestem psychedelischem Rock-Flow-Sound so klassisch wie zeitlos vor sich hin mäandert, oder das trancige „TSOD“ mit seinem melodiösen Gesang begleitet von Sitar-Klängen, das wie George Harrison auf Acid klingt. Und da ist noch das wunderbar treibende und erdige „Join the Resistance“, dessen Original von den in Göteborg beheimateten Gås eingespielt wurde, bei denen es sich möglicherweise ja um die gleichen Musiker*innen handelt. Auch der treibende Folk-Rock von „Vakna“ weiß zu begeistern. Es geht sehr psychedelisch zu, sehr wabernd, mit viel Wah-Wah-Gitarren und Flöten, da kann ich verstehen, wenn man sich hier kopfschüttelnd abwendet. Die Medizin von Goat hilft eben nicht allen und jederzeit, bei mir hingegen wirkt sie!