Gurriers

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Gur­riers ist eine hoch­en­er­ge­ti­sche iri­sche Gitar­ren­band, die mit ihrem Sound an den frü­hen Post-Punk ihrer Lands­män­ner von Fon­tai­nes D.C. erin­nert. Dan Hoff und Mark McCormack arbei­te­ten gemein­sam in einem 24-Stun­den-Fast-Food-Restau­rant und träum­ten davon, eine Band zu grün­den – ein Traum, den sie im Januar 2020 ver­wirk­lich­ten. Sie nutz­ten den nahezu glo­ba­len Still­stand wäh­rend der Pan­de­mie, um ihre musi­ka­li­schen Visio­nen und Ambi­tio­nen zu ent­wi­ckeln. Zu Beginn bestand das Quin­tett aus Dan Hoff (Gesang), Ben O’Neill (Gitarre und Back­ground­ge­sang), Mark McCormack (Gitarre), Pierce O’Callaghan (Schlag­zeug) und Emmet White (Bass). Letz­te­rer ver­ließ die Band freund­schaft­lich und wurde durch Char­lie McCar­thy ersetzt. Ihr ers­ter Auf­tritt fand 2021 an Hal­lo­ween im Dub­li­ner Workman’s Club statt. Inzwi­schen haben sie sich die pres­ti­ge­träch­tige Unter­stüt­zung von Steve Lamacq und Huw Ste­phens von BBC Radio 6 Music gesi­chert. Mit ihrer Sin­gle „Des Goblin“ schaff­ten sie es sogar auf die A‑Liste von BBC Radio 6 Music – eine beein­dru­ckende Leis­tung für eine Band ohne Plat­ten­ver­trag, die ihre Musik selbst ver­öf­fent­licht. Mit ihrem Debüt­al­bum „Come and See“, das im Sep­tem­ber 2024 erschien, set­zen sie ein kraft­vol­les State­ment zu den Pro­ble­men unse­rer Zeit. Übri­gens: „Gur­riers“ bedeu­tet im Dub­li­ner Dia­lekt so viel wie Rüpel.

Gurries, Come and See

Gurriers

Come and See

Ver­öf­fent­licht: 20. Sep­tem­ber 2024
Label: Pias, No Filter

Nausea
All designed to sign the lines of a sickening mind
Online, we pass the time
Sifting through abhorrent crime

Text­aus­schnitt aus „Nau­sea“

„Come and See“ haben die iri­schen Alt-Rocker Gur­riers im Stu­dio Nave in Leeds unter der Regie von Alex Gre­a­ves auf­ge­nom­men. Auf den elf ein­dring­li­chen Songs schwin­gen sie die Wut­keule zu The­men wie Exis­ten­tia­lis­mus, moder­ner Nar­ziss­mus und gesell­schaft­li­che Rea­li­tät – eine Wut, die ihre Lands­män­ner von Fon­tai­nes D.C. spä­tes­tens mit ihrem Album „Romance“ abge­legt haben. Man könnte kri­ti­sie­ren, dass Gur­riers mit die­sem Sound nun ein wenig spät dran sind und dass ihr Debüt nicht unbe­dingt neu­ar­tig klingt. Doch die Ener­gie und Dyna­mik ihrer Songs rei­ßen einen immer noch mit. Es ist die­ser wun­der­bar pop­pig ver­packte Lärm, dem man sich gerne auf einer 40-minü­ti­gen „lau­ten, gitar­ren­las­ti­gen Odys­see über unsere Frus­tra­tion mit der moder­nen Welt“, wie die Band selbst ihr Debüt beschreibt, hin­gibt. „Wir lie­ben ein­gän­gige Melo­dien und Hooks”, erklärt Front­mann Dan Hoff – und das hört man den Tracks an. „Come and See“ bie­tet nicht nur Songs von ener­gie­ge­la­de­ner Inten­si­tät, son­dern auch her­vor­ra­gen­des Songwriting.

Klassenkampf und Religionskritik

Ähn­lich wie Fon­tai­nes D.C. in ihren Anfän­gen beschwö­ren Gur­riers ihr Klas­sen­be­wusst­sein und wet­tern gegen die herr­schen­den Ver­hält­nisse. Mit herr­li­chem Gitar­ren­lärm und trei­ben­den Beats kon­fron­tiert uns das Quin­tett mit einer Welt, die alles andere als in Ord­nung ist. Im zor­ni­gen Ope­ner „Nau­sea“ tre­ten sie gleich rüpel­haft die Tür ein und machen ihrem Ekel Luft, wenn sie die ver­netzte Gegen­wart und die Abstump­fung durch den Kon­sum digi­ta­ler Medien kri­ti­sie­ren. Das coole „Des Goblin“ ist ein inten­si­ver, schwe­rer Psych-Punk-Groove, der auf dem Indie-Dance­f­loor sicher für ein wil­des Durch­ein­an­der sor­gen wird. „Approacha­ble“ gibt sich wild und kra­chig und beschreibt aus der Per­spek­tive eines rechts­extre­men Online-Pro­vo­ka­teurs, wie leicht es ist, mit gefälsch­ten Nach­rich­ten Leicht­gläu­bige für per­fide Ideen zu gewin­nen: „One day you’ll wake up and my face will be all over your tele­vi­sion / Orwel­lian rebel­lion / I want to be Machia­vel­lian / Let’s unite to create division“.„Sign of the Times“ lockt mit sei­nem Titel auf eine fal­sche Fährte (Prince), erweist sich aber als siche­rer Hit des Albums. Im atmo­sphä­ri­schen Stück „Pray­ers“ zitie­ren Gur­riers Nietz­sche: Gott ist tot, und der Papst spricht seine Gebete längst vor lee­ren Stuhl­rei­hen – eine Satire auf die reli­giö­sen und poli­ti­schen Span­nun­gen in Irland und anderswo. Auch wenn „Come And See“ keine echte musi­ka­li­sche Über­ra­schung ist, ist es doch eine mit­reis­sende Kampf­an­sage an eine unvoll­kom­mene Welt, in der tanz­bare Wut ein pro­ba­tes Mit­tel ist, sie zu ertragen.

Wenig Differenzierung

Diese Iren sind hoch­po­li­tisch, aber blind fol­gen sollte man ihnen nicht: Der BDS lis­tet die Band online als Unter­stüt­zer. Das ein­sei­tige State­ment zum Nah­ost-Kon­flikt, das der Schlag­zeu­ger im März auf dem SXSW-Fes­ti­val im Namen iri­scher Bands vor­las, erwähnte den Hamas-Ter­ror mit kei­nem Wort; Israel hin­ge­gen wurde impli­zit als kolo­nia­lis­ti­sches Land bezeich­net. Ein absur­des Ver­hal­ten, das in der (lin­ken) inter­na­tio­na­len Kunst- und Musik­welt nicht unge­wöhn­lich ist. Gewiss sind nicht alle, die sich für Paläs­tina aus­spre­chen und enga­gie­ren, knall­harte Anti­se­mi­ten. Den­noch wäre bei einem so kom­ple­xen Thema etwas mehr Dif­fe­ren­zie­rung wün­schens­wert. Die Qua­li­tät der Musik und die Hal­tung zu ande­ren poli­ti­schen The­men die­ser iri­schen Rüpel wird dadurch nicht geschmä­lert. Es zeigt jedoch ein­mal mehr, dass viele kluge linke Köpfe nicht in allen Dis­kur­sen mit Exper­tise glänzen.