King Hannah ist ein Duo aus Liverpool, besonders britisch klingen sie dabei nicht. Zwar tauchen immer wieder Brit-Pop-Bezüge auf, aber die eigentlichen Wurzeln ihrer Musik liegen mehr in der amerikanische Rootsmusik, verweisen auf erdigen Blues, schrulligen Country oder rauen Folk. Die beiden lernen sich einer Liverpooler Bar kennen, wo Hannah Merrick den neuen Kollegen Craig Whittle für einen neuen Job einarbeitet. Whittle besuchte bereits zwei Jahre vorher einen Solo-Gig von Merrick und war von ihrer melancholischen Lana Del Rey-Stimme tief beeindruckt. Der Gitarrist überredet die Sängerin, gemeinsam Musik zu machen, auch ein Name ist schnell gefunden: King Hannah. Ihre Debüt-Single „Crème Brûlée“ erscheint im September 2020, kurz darauf folgt ihre Debüt-EP „Tell Me Your Mind And I’ll Tell You Mine“. Ihr erstes Album „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ erscheint im Februar 2022. King Hannah veröffentlichen außerdem regelmäßig Cover-Songs, beispielsweise 2021 eine Version von Bruce Springsteens „State Trooper“ und 2023 ihre Variante von Madonnas Hit „Like A Prayer“.
Textausschnitt aus „New York, Let’s Do Nothing”
He said, „So tell me something about you„
I said, „Well, I’m a singer, musician too„
He said, „Oh no, not another one„
Rolled his eyes and moved on
Wenn einem beim Hören des Albums „Big Swimmer“ zahlreiche andere Musiker*innen in den Sinn kommen, ist nichts daran verkehrt. Zu offensichtlich sind die Einflüsse und Inspirationen. Sängerin Hannah Merrick selbst nennt sie beim Namen: So heißt es im Track „Suddenly, Your Hand“: „I like listening to Bill Callahan, He makes my heart feel warm.“ Auch die lakonische Erzählweise und der trockene Humor kann man durchaus als Callahan-inspiriert ansehen. Einem weiteren amerikanischen Singer-Songwriter widmet sie mit dem countryesken „John Prine on the Radio“ gar einen eigenen Song. Im Opener „I’m a big swimmer. I’ll swim at anything“, einer Durchhalte- und Empowerment-Hymne, die sowohl als Folk- wie auch als Rock-Version interpretiert wird, unterstützt die amerikanische Musikerin Sharon Van Etten das Duo – und später noch mal auf dem Track „This Wasn‘t Intentional“. Das folgende „New York Let’s Do Nothing“ ist rau und leicht spröde, der Sprechgesang hier, wie bei einer Reihe anderer Tracks, erinnert stark an Florence Shaw von Dry Cleaning. In anderen Songs werden Erinnerungen an Hope Sandoval von Mazzy Star wach. „I feel like I am on the front cover of that ‚Slint‘ album“, heißt es im treibenden Grunge-Song „Lily Pad“ und er zieht damit eine Linie von „Big Swimmer“ zu dem Album „Spiderland” der amerikanischen Post-Rocker Slint, dessen Cover vom ebenfalls aus Louisville stammenden Singer-Songwriter Will Oldham stammt – eine Schwarz-Weiß-Fotografie der in einem See badenden Band.
Jede Menge filmischer Zitate
Neben den musikalischen Inspirationen findet man auch zahlreiche filmische Anspielungen: Das getragene, schleppende Instrumental „Scully“ bezieht sich offensichtlich auf Agent Scully aus der X‑Files-Serie. Der Song „This Wasn’t Intentional“ orientiert sich an der Geschichte des Oscar-nominierten Arthouse-Films „Aftersun“. Oder im Song „Milk Boy (I Love You)“, einer düsteren Missbrauchsgeschichte mit der Zeile „They reminded me of McConaughey, in that film about aids that didn’t win enough“, der auf den Film „Dallas Buyers Club“ anspielt. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vergleicht „Big Swimmer“ mit einem lakonischen, kunstvoll fotografierten Indie-Film, in dem gar nicht so viel passiert, von dem man aber dennoch keine Sekunde verpassen will.
Die Suche nach Ausgewogenheit
„Big Swimmer“ ist ein intensives, abwechslungsreiches Album mit vielen pophistorischen Verweisen, das zwischen bluesiger Erdigkeit und post-rockiger Weite mäandert, das die Balance sucht zwischen Licht und Dunkelheit, lauten und stillen Momenten, Ernsthaftigkeit und Humor. Im Pressetext zu „Big Swimmer“ heißt es, Hannah sei für die zornigen Texte und Craig für die romantischen zuständig. Und? „Ja, das ist richtig“, sagt Craig. „Uns war wichtig, für dieses Album eine Balance zu finden.”