Die britische Punk-Band Lambrini Girls wurde 2019 in Brighton gegründet und bestand ursprünglich aus der Sängerin Flora Kimberly, der Gitarristin Phoebe Lunny, der Bassistin Lilly Macieira und der Schlagzeugerin Catt Jack. Schon bald jedoch schrumpfte das Quartett zum Duo: Gitarristin Phoebe Lunny übernimmt zusätzlich den Gesang und Lilly Macieira spielt weiter Bass. Für das Schlagzeug holen sie sich zumeist die Aktivistin Banksy dazu. Die Band machte sich schnell einen Namen mit ihren energiegeladenen Live-Auftritten und kompromisslosen Bühnenshows. Sie spielte im Vorprogramm von Amyl and the Sniffers auf deren Nordamerika-Tour und war Support der Idles im Londoner Alexandra Palace. Ihr Name geht übrigens auf einen Wein zurück. Eine Studie aus dem Jahr 2009 über in Supermärkten und Schankwirtschaften im Nordosten Englands verkauften Alkohol ergab, dass Lambrini, gemessen am Preis einer Einheit Alkohol, der billigste Alkohol in der Kategorie Wein ist. Na dann: Prost!
Big dick energy, big dick energy
Textausschnitt aus „Big Dick Energy“
You know what mate,
stay the fuck away from me Why?
You’re really not that big
Das Debütalbum des britischen Punk-Duos Lambrini Girls, „Who Let the Dogs Out“, ist ein 29-minütiger Rundumschlag gegen Misogynie, Homophobie, Kapitalismus und all die Frustrationen des Alltags. Dabei bewegen sich Phoebe Lunny und Lilly Macieira mit ihrem Humor und einem guten Gespür für eingängige Riffs zwischen Riot Grrrl, Post-Punk und noisigen Gitarrenwänden. Ihre Wut ist ein Statement, eine Party und ein feministisches Manifest, das dem Patriarchat den Mittelfinger zeigt. Schon mit ihrer ersten Single „Help Me, I’m Gay“ aus dem Jahr 2022 zeigte das Duo, wo es langgeht: queerer Into-Your-Face-Riot-Grrrl-Punk mit einer guten Portion Ironie und ganz viel Spaß. In Songs wie No Homo und Filthy Rich Nepo Baby liefern sie bissige Kommentare über toxische Männlichkeit und die Absurdität von Vetternwirtschaft in der Musikindustrie – und das mit einem Sound, der an die ungeschliffene Power von Bands wie Bikini Kill und den frühen Sleater-Kinney erinnert.
Rohe, ungeschliffene Energie
Die Produktion des Albums übernahm Daniel Fox, Bassist der Gilla Band, das Mixing lag bei Seth Manchester (Mdou Moctar, Battles, Model/Actriz). Ihnen ist es gelungen, die rohe, ungeschliffene Energie einzufangen. Besonders eindrücklich ist der Opener „Bad Apple“, ein Song über Polizeigewalt, der von der Ermordung Sarah Everards durch einen Polizisten im Jahr 2021 inspiriert wurde. Mit hochgepitchtem Tempo und verzerrtem Bass bringen Lambrini Girls ihre Wut über strukturelle Gewalt zum Ausdruck. Mindestens genauso eindringlich ist „Nothing Tastes as Good as It Feels“, in dem die beiden Musikerinnen über ihre Erfahrungen mit Essstörungen singen und sich mit der Modelindustrie und deren toxischen Schönheitsidealen anlegen. Rotzig rechnen sie mit den weit verbreiteten Diätprodukten ab: „Diet drinks taste like absolute fucking shit /Give me full fat, you fucking bastards.“ Auch auf „Big Dick Energie“ gibt sich das Duo schwer angepisst: „Why am I the one crossing the street /Because I’m scared of the man right behind me /Who really thinks he’s big“ – ein wütender Schlag gegen toxische Männlichkeitsfantasien.
Punk, Wut und jede Menge Spaß
Doch so ernst die Themen sind, so viel Spaß macht das Album. Das Finale „Cuntology 101“ ist eine Hymne an queere und feministische Selbstermächtigung, gespickt mit ironischen Selbstbeschreibungen („Getting therapised is cunty“), mitreißenden Chants und sogar elektronischen Beats. Ist „Who Let the Dogs Out“ nun ein wirklich innovatives Punk-Album? Nicht unbedingt, aber es ist ein wütender, lauter und zugleich verdammt spaßiger Beitrag zur aktuellen britischen Punk-Szene, die mit Bands wie Petrol Girls, Chisel oder Idles gerade ein echtes Revival erlebt. Und natürlich: Auch die Lambrini Girls liefern keine neuen Antworten auf die alten Probleme der Welt – aber sie machen sich laut und wütend Luft. Und laut gegen Missstände und Ungerechtigkeiten anzuschreien, ist ein erster Schritt, sie zu überwinden.