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They Are Gutting a Body of Water

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 2 Minu­ten

Die ame­ri­ka­ni­sche Band aus Phil­adel­phia They Are Gut­ting a Body of Water (TAGABOW) ent­stand aus dem Solo-Pro­jekt von Doug Dul­ga­rian und zählt heute zu den eigen­wil­ligs­ten Shoe­gaze- und Noise-Acts des US-Under­grounds. Seit 2021 besteht die Band aus Dul­ga­rian, Emily Lofing, PJ Car­roll und Ben Opa­tut. Bekannt für ihre inten­si­ven Live­shows, bei denen sie im Kreis und auf dem Boden spie­len, ver­bin­det TAGABOW rohe Gitar­ren­wände mit Drum’n’Bass-Einsprengseln und einer kon­se­quen­ten DIY-Ästhe­tik. Front­mann Dul­ga­rian, auf­ge­wach­sen im Hud­son Val­ley und Sohn eines Dirt-Track-Renn­fah­rers prägt mit sei­nen (Drogen-)Erfahrungen Sound und Hal­tung der Band ent­schei­dend. Mit sei­nem Label Julia’s War för­derte er zudem weg­wei­sende New­co­mer der Indie-Szene. Seine Texte krei­sen um Sucht, Klar­heit und die Suche nach Echt­heit in einer über­di­gi­ta­li­sier­ten Welt – The­men, die TAG­ABOWs kom­pro­miss­lose Ener­gie und Dring­lich­keit prägen.

They Are Gutting a Body of Water, LOTTO

TV They Are Gutting a Body of Water
LOTTO

Ver­öf­fent­licht: 17. Okto­ber 2025
Label: Julia’s War Recordings

The benefit of believing you′re bad
Is that you get somebody to blame
Tell me there′s a better one
And ill go get my gun

Text­aus­schnitt aus ame­ri­can food“

Auf LOTTO, dem vier­ten Stu­dio­al­bum von TAGABOW, wer­fen die Ame­ri­ka­ner alle digi­ta­len Spie­le­reien über Bord. Statt­des­sen gibt es einen ech­ten Raum, echte Instru­mente, echte Emo­tion: vier Men­schen in einem Raum, die live auf Band auf­neh­men“ — wie Sän­ger und Kopf Doug Dul­ga­rian es selbst nennt. Und so wirkt das ganze Album wie eine bewusste Ver­wei­ge­rung gegen künst­li­che Glätte in einer zuneh­mend digi­ta­li­sier­ten Welt.

Shoegaze im neuen Gewand

Auch wenn viele Reveiws es sug­ge­rie­ren: Lotto ist kein wei­te­res Shoe­gaze-Album im Sinne des Gen­res. Die Band nutzt Shoe­gaze nicht als Stil­mit­tel zur Erzeu­gung von Atmo­sphäre, son­dern als Roh­ma­te­rial, das frag­men­tiert, über­steu­ert und neu ange­ord­net wird. Das Ergeb­nis ist ein Album, das sich bewusst der Kate­go­ri­sie­rung ent­zieht und die Bedin­gun­gen zeit­ge­nös­si­scher Gitar­ren­mu­sik defi­niert: Über­for­de­rung, Frag­men­tie­rung und emo­tio­nale Dau­er­an­span­nung. Rohe, röh­rende Gitar­ren, don­nern­des Schlag­zeug, ver­zerrte Wände und Fuzz bis zum Anschlag. Die Song­struk­tu­ren sind kna­ckig, oft kurz und auf den Punkt gebracht. Doch gerade in ihrer Sim­pli­zi­tät ent­fal­tet sich eine hyp­no­ti­sche Inten­si­tät: Mal schlep­pend und nach­denk­lich („sour die­sel“), mal erup­tiv und ver­zwei­felt („the chase“, vio­lence iii“) — ein Wech­sel­spiel aus Chaos und Klarheit.

Persönlich bis zur Schmerzgrenze

Was LOTTO eben­falls beson­ders macht, sind die Texte: per­sön­lich, direkt, manch­mal bru­tal ehr­lich. Front­mann Doug Dul­ga­rian trägt das Album mit Tex­ten, die so unge­schönt sind, dass sie manch­mal kaum aus­zu­hal­ten sind. Dro­gen­er­fah­run­gen, Ent­zug, All­tags­tris­tesse, der ewige Wunsch nach einem Aus­weg – LOTTO wirkt wie ein Tage­buch, das man eigent­lich nicht lesen darf. Gleich in dem Ope­ner the chase“ doku­men­tiert Dul­ga­ri­ans scho­nungs­los sei­nen Start ins Jahr 2025: Ein nüch­ter­nes Pro­to­koll eines Neu­jahrs­mor­gens im Fen­ta­nyl-Ent­zug, gefolgt von der Erkennt­nis, wie absurd der Drang nach Erlö­sung durch mehr kau­fen, mehr scrol­len, mehr kon­su­mie­ren“ ist. Spä­tere Songs wie rl stine“ zeich­nen das Bild von Mit­mensch­lich­keit, sozia­ler Ver­wahr­lo­sung und inne­rer Zer­ris­sen­heit — und las­sen uns haut­nah spü­ren, wie dünn die Linie zwi­schen Empa­thie und Selbst­zer­stö­rung ver­lau­fen kann.

Relevanz und Verletzlichkeit

In Zei­ten, in denen Musik oft über Algo­rith­men, Play­lists und Ober­fläch­lich­keit defi­niert wird, steht LOTTO für das Gegen­teil: Rele­vanz, Ver­letz­lich­keit, echte Kunst. Kritiker*innen loben das Album als wider­stands­fä­hig, ehr­lich und zutiefst mensch­lich“ — als State­ment gegen eine zuneh­mend homo­gene Musik­welt. Ein Werk, das dich nicht nur durch Klang berührt, son­dern durch seine Bereit­schaft, Wider­sprü­che hör­bar und fühl­bar zu machen. The bene­fit of belie­ving you’re bad /​Is that you get some­body to blame.“