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TV Face

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 2 Minu­ten

Das Trio TV Face hat sich Anfang 2019 in Lan­cas­ter (UK) gegrün­det, es besteht aus der Bas­sis­tin und Sän­ge­rin Bri­git McWade, ihrem Bru­der Steve, Gitarre und Gesang sowie Dave Steen an dem Drums. Mit ihrem wil­den Mix aus Noise, Punk, Post-Punk und rabia­tem Alt-Rock haben sie sich in der Under­ground-Szene einen Ruf als radi­kal unkon­ven­tio­nelle und zugleich mit­rei­ßende Live-Band erar­bei­tet. We like to make a racket for a living,“ wie die Front­frau ein­mal in einem Inter­view betonte. Nach ihrem 2023 erschie­ne­nen Debüt­al­bum Tide of Men“ keh­ren sie im Sep­tem­ber 2025 mit ihrem zwei­ten Werk zurück — dunk­ler, lau­ter und kom­pro­miss­lo­ser. Der Band­name ent­stand übri­gens, weil Steve McWade in sei­ner Kind­heit von den Inne­reien eines zer­schla­ge­nen Fern­se­hers fas­zi­niert war, den er auf einem Trup­pen­übungs­platz fand. Daher ver­wen­den sie auch gele­gent­lich in ihren Musik­vi­deos oder bei Wer­be­ak­tio­nen TV-Masken.

TV Face, Wolf Rents Bark

TV Face
Wolf Rents Bark

Ver­öf­fent­licht: 5. Sep­tem­ber 2025
Label: Cra­cke­dank­les Records

look at the selfis 
wide eyed and healthy
this mirror’s kinda filthy
wipe it off to see me
hanging from the pedantry

Text­aus­schnitt aus White Noise White Lies“

Mit Wolf Rents Bark“ lie­fern TV Face ein Album ab, das sich anfühlt wie ein ver­zwei­fel­ter Auf­schrei: ver­zerrte Gitar­ren, drü­ckende Drums, keh­lig geschriene Vocals – alles direkt, kör­per­lich, kom­pro­miss­los ehr­lich. Pro­du­ziert mit Rob White­ley (White­wood Stu­dios, Liver­pool) ver­zich­tet das Trio bewusst auf Fein­schliff. Statt­des­sen domi­niert ein raues, Albini-sches Klang­bild, das Unfer­ti­ges zulässt: Über­steue­rung, Sound­schlie­ren, hör­bare Rei­bung. Genau darin liegt die Wucht die­ser Platte.

Gesellschaft unter Dauerstress

The­ma­tisch beackert Wolf Rents Bark“ die klas­si­schen Brenn­punkte von Noise- und Punk­mu­sik: Macht­miss­brauch, soziale Ver­dich­tung, Ent­frem­dung, den schlei­chen­den Zer­fall gesell­schaft­li­cher Ver­ant­wor­tung. In dras­ti­schen Bil­dern erzäh­len die Songs von Anpas­sung und Auf­leh­nung – und vom erschöpf­ten Ver­such, in einem Sys­tem zu über­le­ben, das jene ver­schlingt, die zu laut wer­den oder nicht mit­spie­len wollen.

Songs als Brandbeschleuniger

Der Auf­takt Get What We’re Given“ kommt ohne Vor­war­nung: jagende Riffs, rast­lose Drums, pure Ener­gie. Der Song seziert den Mythos vom Auf­stieg durch Leis­tung, indem er bekannte Phra­sen gegen­ein­an­der aus­spielt – you’ll get what you’re given“, you’ll get not­hing and like it“, you’ll get out what you put in“. Am Ende bleibt die bit­tere Erkennt­nis: Für viele redu­ziert sich Über­le­ben auf das Schlu­cken der Krü­mel der Mäch­ti­gen. Boots Pocket Coffin“ rich­tet den Blick direkt auf diese Pri­vi­le­gier­ten. Ein gif­ti­ger, zyni­scher Angriff auf unstill­bare Gier, die sich selbst ver­schlingt. Fill your boots, fill your pocket, fill your coffin“ – Reich­tum als Hun­ger ohne Sät­ti­gung, vor­ge­tra­gen mit bei­ßen­der Verachtung.

Lärm, Lügen und Nationalismus

Noch explo­si­ver wird es mit White Noise White Lies“, einem vier­mi­nü­ti­gen Rund­um­schlag gegen die Leere der Online-Kul­tur und ihre ritua­li­sierte Selbst­dar­stel­lung. Zei­len wie Yeah look at them sel­fies /​Wide eyed and healthy“ mün­den in einen Refrain, der wie ein Schlacht­ruf wirkt: White noise, white noise, white noise, white lies.“ Ver­zerrte Gitar­ren und aggres­sive Vocals destil­lie­ren hier den Punk-Kern von TV Face auf den Punkt. Scot­tish Kis­ses“ schließ­lich ist der düs­terste Moment des Albums. Er erin­nert in Rhyth­mus und Melo­die an Songs der Dead Ken­ne­dys. Mit gna­den­lo­sen Bil­dern und bit­te­rem Sar­kas­mus seziert der Song den Auf­stieg rech­ter Ideo­lo­gien und die Ver­führ­bar­keit einer ver­un­si­cher­ten Gesell­schaft. All­tags­bil­der wie Plim­solls and pasties /​Shoe­zone and Greggs“ wer­den zur Kari­ka­tur eines selbst­zu­frie­de­nen Kon­sum­all­tags, der Extre­mis­mus begüns­tigt. Geschrie­ben als Reak­tion auf die natio­na­lis­ti­schen und ras­sis­ti­schen Unru­hen nach den Mor­den in Stock­port 2024, bleibt der Track unver­söhn­lich und ver­stö­rend aktuell.

Ein Manifest, kein Trost

TV Face haben mit Wolf Rents Bark“ kein Trost­pflas­ter geschaf­fen, son­dern ein Mani­fest: gegen Gleich­gül­tig­keit, Kom­merz und Ver­blen­dung. Die­ses Album for­dert her­aus, will auf­rüt­teln und unbe­quem sein. Ein Auf­ruf, sich auf­zu­rich­ten, hin­zu­hö­ren – und die eigene Stimme zu erhe­ben. Laut.