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Your Heterosexual Violence

Durch­schnitt­li­che Lese­dauer 3 Minu­ten

Your Hete­ro­se­xual Vio­lence (YHV) wurde 1982 im Lon­do­ner Stadt­teil Wool­wich gegrün­det und zählte zur Under­ground Punk- und Post-Punk-Szene. Unkon­ven­tio­nelle Live-Auf­tritte und eine kom­pro­miss­lose DIY-Hal­tung war damals eine weit­ver­brei­tete Atti­tüde – so auch bei YHV. Einige ihrer Zeitgnoss*innen schaff­ten den Sprung ins Ram­pen­licht. YHV blei­ben im Under­ground ver­wur­zelt. Das ursprüng­li­che Line-up trennte sich 1988 – danach gin­gen die Ursprungs­mit­glie­der, nament­lich der Sän­ger Brian O’Brien und der Gitar­rist David Dodd, eigene Wege, unter ande­rem mit der Band The Dis­pos­s­es­sed. Erst 2017 kehrte die Band zurück – mit alter Wut, aber zeit­ge­mä­ßer Ent­schlos­sen­heit. Neben O’Brien und Dodd sind nun auch diese Musiker*innen Teil des Pro­jekts: Andi Panayi am Schlag­zeug, Simon Birch an Ham­mond-/Fen­der-Rho­des-Orgel und Jemma Free­man (they/​them) an Bass und Gesang. Tat­säch­lich erscheint im Sep­tem­ber 2025 ein neues Album – ihr vrspä­te­tes Debüt. Das soll – so sagt Brian O’Brien – jene unvoll­endete Geschichte zu Ende erzäh­len, die sie vor 40 Jah­ren begon­nen hatten.

Your Heterosexual Violence, Some People Have Too Much To Say

Your Heterosexual Violence
Some People Have Too Much To Say

Ver­öf­fent­licht: 26. Sep­tem­ber 2025
Label: Trap­ped Anima5

No search results for weatherman on drugs 
The train pulls in and stops, then starts and chugs
We’re looking for a way out of this place
But we’ll still dig roots here anyway just in case
Textausschnitt aus No Search Results (for Weatherman On Drugs)“

Some Peo­ple Have Too Much To Say“ ist das erste regu­läre Album von Your Hete­ro­se­xual Vio­lence – und zwar knapp 40 Jahre nach ihrer Grün­dung. Viele Songs gehen auf Ideen und Pro­ben aus den frü­hen 1980er Jah­ren zurück – Stü­cke, die damals nie voll ent­wi­ckelt oder auf­ge­nom­men wur­den. Den­noch klingt das Album nicht wie ein nost­al­gi­scher Griff zurück – alte Wur­zeln fin­den zur neuer Fri­sche und Kreativität.

Klangliche Vielfalt 

Schon im ers­ten Song House Out­side The World“ zeigt sich diese Mischung: Ein pop­pi­ger, idea­ler Ein­stieg in das Album – ein Track, der mit Melo­die und Groove über­zeugt, tanz­bar und vol­ler Ener­gie. Danach geht es gleich wei­ter mit The Plan“: Ein noi­si­ger, hek­ti­scher Aus­bruch mit einer Ansage der Band, die so auch von Mark E. Smith stam­men könnte, wobei der sicher­lich nicht so vor­bild­lich gegen­dert hätte: Ladies and gen­tle­men /​And Trans­gen­der Neu­trals /​It’s good to be with you /​Hope the fee­ling is mutual. /​We are the mighty Your Hete­ro­se­xual Vio­lence. /​This is our Dharma /​We hope you love it /​And if you don’t /​You can fuck off and shove it.“ Und im Back­ground wird doch tat­säch­lich das Hare-Krishna-Man­tra into­niert. Ganz groß. Es geht wei­ter mit Kraut-Arti­gem, leich­ten Jazz-Anlei­hen, dazu gesel­len sich Ham­mond- und Sax-Orgien und gele­gent­li­che Ska-Aus­flüge – gar­niert mit schar­fen Tex­ten, manch­mal bit­ter, manch­mal komisch, aber fast immer ein­dring­lich. Ein Sound, der einen unwei­ger­lich in die wil­den pun­ki­gen 80er kata­pul­tiert – das ist retro, macht aber unge­mein viel Spass. Nicht zuletzt wegen der Lyrics. 

Surreal und humorvoll

Mir sur­rea­lem Unter­ton, jeder Menge Humor und einem poli­tisch-sozia­lem Blick. Wer­den The­men wie Ent­frem­dung, psy­chi­sche Gesund­heit, Liebe, Des­il­lu­sio­nie­rung und soziale Kälte ver­han­delt. Doch trotz allem mit­schwingt eine Art Wut, aber auch Mit­ge­fühl — und nicht sel­ten ein schwar­zer Humor, der das Ganze ent­schärft und gleich­zei­tig ver­stärkt. Ein Song wie Valentine’s Day“ etwa — mit Ver­wei­sen auf poli­ti­sche und soziale Kon­trolle — wirkt fast wie ein post-moder­nes Mani­fest, zugleich unauf­dring­lich und kom­pro­miss­los. Und andere Stü­cke — etwa Man in Fla­mes (at C&A) oder The Boy Who Had 10,000 Par­ents — erzäh­len tra­gi­sche Geschich­ten vol­ler Wut, Ver­zweif­lung und Schmerz — aus­ge­drückt in thea­tra­li­schem Ton, als seien sie Teil absur­der Thea­ter­stü­cke. Mit einer selt­sa­men, poe­ti­schen Kraft geht das Album zu Ende: No Search Results (for Wea­ther­man on Drugs)“ besticht durch Atmo­sphäre, Läs­sig­keit und Nach­denk­lich­keit. Der Song hebt sich von der rup­pi­gen Ener­gie des Albums ab setzt kri­tisch-iro­nisch, inhalt­lich zuge­spitzt undys­to­pisch einen resi­gnier­ten Kom­men­tar zur Gegenwart.

Unpoliert und rauh

Pro­du­ziert wurde das Album von Andy Ramsay (u.a. bekannt durch seine Arbeit mit der Band Ste­reo­lab), was maß­geb­lich dazu bei­trägt, dass der Sound gleich­zei­tig rau, unpo­liert und doch atmo­sphä­risch dicht wirkt. Hinzu kommt die musi­ka­li­sche Breite: Neben Gitar­ren und Punk-Energy gibt es Ham­mond-Orgel, Saxo­phon, Vio­line – Ele­mente, die den Post-Punk-Rah­men spren­gen und das Album orga­nisch wach­sen las­sen. Damit klingt YHV nicht wie eine Retro-Band, son­dern wie eine leben­dige, atmende For­ma­tion, die ihre Geschichte in die Gegen­wart trägt. 

Alte Werte, neu entfacht 

Some Peo­ple Have Too Much To Say“ ist ein Come­back mit Klang, Wut und Vision. YHV zei­gen, dass sie nicht nur ihre Ver­gan­gen­heit ver­ste­hen, son­dern sie auch trans­for­mie­ren kön­nen: in Songs, die sich genauso anhö­ren, als könn­ten sie mor­gen geschrie­ben wor­den sein. Das Album ist wild, unbe­re­chen­bar, fas­zi­nie­rend — manch­mal ver­stö­rend, manch­mal komisch, immer ehr­lich. Es ver­eint Punk-Atti­tüde, Thea­tra­lik, Post-Punk-Ästhe­tik und poe­ti­sche Tiefe. Für eine Band, die 40 Jahre brauchte, um ein Debüt­al­bum zu ver­öf­fent­li­chen, ist die­ses Werk eine starke, glaub­wür­dige und über­ra­schend zeit­ge­mäße Aus­sage: rohe Ener­gie, schiefe Töne, scharf­zün­gige Texte und jede Menge Humor. Gehört in die Playlist.