Modern Nature ist ein Projekt des britischen Musikers Jack Cooper. Man kennt ihn von Bands wie Ultimate Painting und Mazes. Modern Nature wird im Februar 2019 in Manchester mit dem Ziel gegründet, die Grenzen zwischen Folk, Experimental, Jazz und Psychedelia zu erforschen. Die flexible Besetzung der Band verändert sich je nach Album und Konzept. Waren die ersten Veröffentlichungen stark von freier Improvisation und experimentellen Arrangements geprägt, will man sich laut Cooper nun mehr zu klareren Songstrukturen und direkter Ansprache bekennen.
There’s me standing in the riot
We′re singing in the lanes, we’re overtired
It feels new to me, it’s all historyTextausschnitt aus „Pharaoh”
Auf der Tour 2023 zum Album „No Fixed Point In Space“ wurde Jack Cooper klar, dass Modern Nature sich neu erfinden musste. Das Kerntrio aus ihm, Schlagzeuger Jim Wallis und Bassist Jeff Tobias erhielt mit Gitarristin Tara Cunningham eine entscheidende Erweiterung. „The Heat Warps“ stellt nun die Suche nach Balance ins Zentrum – zwischen Improvisation und Struktur, Introspektion und politischer Ansprache, Schönheit und Schwere. Das Album klingt offener und klarer, aber nie banal.
Ein Auftakt mit Haltung
Der Motorik-Puls von Bass und Schlagzeug stößt vorwärts, während sich die beiden Gitarren umeinander winden. Der Opener „Pharaoh“ ist ungemein catchy, fräst sich gleich mit seiner tollen Melodie ins musikalische Gedächtnis. Dazu reflektiert Cooper über Autorität, Inspiration und Führung – zugleich politischer Kommentar und Hommage an Jazz-Gigant Pharaoh Sanders. Gleich zu Beginn also die klare Ansage: Dieses Album will Haltung zeigen.
Feuer von allen Seiten
„There’s a fire all around“ singt Cooper beschwörend in „Radio“. Ein ruhiger, getragener Track, durchzogen von unterschwelliger Dringlichkeit. Es geht um Medien, ihre Rolle bei der Darstellung von Wirklichkeit und die Gleichgültigkeit gegenüber Umweltkatastrophen. Ein stiller, intensiver Kontrast zum Opener. Leichtfüßiger und luftiger wirkt „Glance“: weniger drängend, poetischer – nicht so zwingend wie der erste Song, aber stimmig in der Albumdramaturgie.
Herzstück und Bekenntnis
Einer der zentralen Momente ist „Source“. Inspiriert von den Unruhen 2024 in Großbritannien, als Asylsuchende Ziel von Gewalt wurden, thematisiert der Song Desinformation, Angst und den Wunsch nach Gemeinschaft. Musikalisch klar strukturiert, aber in tiefer Ruhe getragen. Das folgende „Jetty“ dagegen wirkt fast skizzenhaft – weniger Song als atmosphärisches Bild.
Flammendes Licht
„Alpenglow“ markiert ein Highlight. Entstanden während einer Reise durch New Mexico, fängt der Track Naturphänomene wie kleine Tornados, Legenden und flammende Farben ein. Musikalisch breitet sich der Song langsam aus, bis er in einer leuchtenden Fläche aufgeht – Staunen über die Magie der Natur wird hier hörbar. „Zoology“ knüpft als fragiler Kontrapunkt an: ein schwebender, zarter Track über Tiere, Natur und unser Verhältnis zu ihnen.
Dringlichkeit und Bewegung
Gegen Ende zieht die Dynamik wieder an. „Takeover“ bringt neue Energie, spielt mit Motiven von Macht, Kontrolle und inneren Kämpfen. Kein klassischer Protestsong, eher ein vibrierender Appell: Nachdenken und Handeln, nicht nur Beobachten. Das Finale setzt „Totality“ – inspiriert von der Sonnenfinsternis 2024. Langsam entfalten sich Gitarrenflächen, bis eine fast sakrale Stimmung entsteht. Ein Lied über Innehalten, gemeinsames Staunen, den kurzen Ausstieg aus der Normalität. Ein würdiger Abschluss, der das Album ins Kosmische hebt.
Wärme, Tiefe, Nachhall
The Heat Warps ist kein lautes Album. Es arbeitet subtil, tastend, suchend – und genau darin liegt seine Kraft. Zwischen Höhepunkten und stilleren Zwischentönen entsteht ein Werk, das politisch wie poetisch ist. Ein Album für aufmerksames Hören, für Nächte, in denen die Welt zu dunkel scheint – und man den Trost sucht, den nur Musik geben kann.