College-Freunde gründen Geese 2016 zunächst als launiges Schulprojekt während ihrer Highschool-Zeit in New York – doch ihre erste Single „Disco“ macht sie sofort zu Kritikerlieblingen. Heute gilt die Band als neue Gitarrenhoffnung der Stadt. Mit dem gefeierten Debüt „Projector“ (2021) touren sie weltweit, supporten Jack White und überraschen mit jedem Release. Auf „3D Country“ (2023) treffen Indie-Riffs auf Noise-Explosionen und apokalyptischen Humor. Unberechenbar, verspielt und stets am Rand des Zusammenbruchs verkörpern Geese die neue Gitarrengeneration New Yorks. Nach Cameron Winters Solo-Debüt „Heavy Metal“ (Ende 2024) meldet sich das Quartett im September 2025 mit dem umwerfenden neuen Album „Getting Killed“ zurück. Die Band besteht aus Cameron Winter (Gesang, Keyboard, Gitarre), Emily Green (Gitarre), Dominic DiGesu (Bass) und Max Bassin (Schlagzeug). Live wird sie von Keyboarder Sam Revaz unterstützt. Der Bandname geht auf Greens Spitznamen „Goose“ zurück.
There were hundred horses dancing
Maybe 124
All the horses must go dancing
There is only dance music in times of warTextausschnitt aus „100 Horses”
Geese’ drittes Album „Getting Killed“ mit seinem experimentellen Rocksound und postpunkiger Attitüde wurde in nur zehn Tagen – ohne viel Overdubbing – von Produzent Kenneth Blume in dessen Studio in L.A. aufgenommen: wie eine wilde Indie-Clubnacht in Töne gepresst. Das Schlagzeug treibt kantig voran, die Gitarren flirren mal scharf, mal sirrend im Hintergrund, während der Gesang zwischen verhallten Melodiebögen und heftigen Sprechpassagen schwankt. Diese Spannung verleiht dem Album eine vibrierende Energie, die an frühen New Yorker Post-Punk erinnert, aber nie in bloße Nostalgie abrutscht.
Zwischen Krach und Kontrolle
Charakteristisch ist der abrupte Wechsel zwischen kontrollierter Tightness und fast chaotischem Lärm. Einige Stücke entfalten daraus eine berauschende Intensität: dichte Texturen, die sich auflösen, nur um sich im nächsten Moment wieder zusammenzufinden. Ein Konzept, das Geese nicht immer perfekt gelingt – gelegentlich verlieren sie sich dabei in ihrer eigenen Lautmalerei. Auffällig bleibt Winters Gesang: expressiv und doch zurückgenommen, mit einer warmen, oft melancholischen Färbung – eine Klangästhetik, die an Zach Condon (Beirut) oder gelegentlich auch an Thom Yorke (u.a. Radiohead) erinnert.
Beunruhigender Einstieg
Das Album beginnt mit einer beunruhigenden Mischung: In „Trinidad“ treffen bluesige Gitarren und sanfte Melodien auf schrille Schreie („There’s a bomb in my car!“) und Noise-Eskapaden – ein Statement, das den Ton des Albums vorgibt. Deutlich ruhiger zeigt sich „Cobra“, mit leichten Souleinflüssen und charmantem Retroflair, während Winter lyrisch absurd-poetische Bilder entwirft.
Tanz auf dem Vulkan
Der Titelsong „Getting Killed“ wirkt schön und chaotisch zugleich – das Leben als Widerspruch: „I’m getting killed by a pretty good life…“. Mit treibendem Groove startet „100 Horses“: schmutzig verzerrte Gitarren, Background-Chöre, und eine schwermütige Ironie, wenn Winter singt: „There is only dance music in times of war.“ Tanz und Eskapismus als Überlebensstrategie inmitten globaler Krise.
Trotzig in die Zukunft
Fast sieben Minuten lang klöppelt der Abschlusstrack „Long Island City Here I Come“ zwischen fahriger Unsicherheit und ambitionierter Zielstrebigkeit, zwischen nachdenklicher Ballade und lärmender Emotionalität. Am Ende steht ein trotziges Versprechen voller Optimismus: „I have no idea where I’m going /Here I come.“ Ein perfekter Schlusspunkt für ein Album, das sich bewusst ins Chaos stürzt.
Verheißung mit kleinen Makeln
Dass Geese auf „Getting Killed“ ihre stilistische Neugier kaum zügeln, ist gleichermaßen Stärke wie Schwäche. Nicht jeder Schlenker sitzt, manches wirkt unfertig oder etwas zu ausgedehnt. Doch gerade diese Brüche machen das Werk spannend – weil es eben nicht aalglatt durchproduziert ist, sondern Ecken, Kanten und kleine Unfälle zulässt. Wer hier zuhört, hört eine Band, die groß denkt, mutig stolpert – und noch einiges vorhat…