Holly Golightly gilt als eine der großen Unabhängigen der britischen Musikszene. Geboren am 7. September 1966 in London (als Holly Golightly Smith), taucht sie Anfang der 1990er tief in Billy Childishs Garagen-Kosmos ein und wird schnell zur festen Größe im Umfeld von Thee Headcoats und Thee Headcoatees. Dort lernt sie das, was ihren Stil bis heute prägt: roher Beat-Sound, Blues-Attitüde und eine Stimme, die klingt, als hätte sie mehr erlebt, als sie je preisgibt. Ihr Markenzeichen: reduzierte Songs, schrammelnde Gitarren, stoische Coolness. Golightly hat nie versucht, modern zu klingen – und ist gerade deshalb zeitlos geblieben. Neben Billy Childish arbeitete sie mit Mudhoney und den White Stripes zusammen, die sie einmal als „die authentischste Stimme Englands“ bezeichneten. Ihre Songs tauchten in Jim Jarmuschs „Broken Flowers“ auf – und doch blieb sie stets: unter dem Radar.
For all the lies you tell, turn back around
I serve the kind that tastes like hell, to burn your mouth
Return to you all ill you speak, and you say out loudTextausschnitt aus „The Prize”
Nach sieben Jahren Funkstille als Solokünstlerin meldet sich Holly Golightly im Oktober 2025 zurück. Mit „Look Like Trouble“ – erneut erschienen auf Damaged Goods Records – präsentiert sie ein Album, das ihre bewährte Vintage-Ästhetik mit frischen Impulsen verbindet. Es klingt wie immer: handgemacht, souverän und ganz sie selbst – fernab von glattpoliertem Pop. Golightly wirkt mit ihrem sicheren Sinn für schrammelige Eleganz einmal mehr wie jemand, der in der verrauchten Ecke eines alten, verrauchten Clubs sitzt und einfach tut, was sie am besten kann: unaufgeregten, aber elektrisierenden Rock’n’Roll mit einem Hauch Soul und Country.
Schrammelnde Eleganz
Der Sound ist bewusst kantig – kein schlichtes Retro-Spiel, sondern gepflegtes, raues Handwerk. Die Gitarren scheppern, die Vintage-Orgel schwadroniert, Schlagzeug und Bass grooven träge im Takt, und über allem liegt Golightlys charakteristische, leicht spröde Stimme: warm, charmant, lakonisch – unverwechselbar britisch.
Zwischen Ironie und Intimität
Gleich der Auftakt ist pure Golightly-Magie: „Black Tongue“ – ein rollender Beat, bissiger Gesang und unscharfe Gitarren mit leichtem Western-Einschlag. Ein perfekter Einstieg in ihr musikalisches Universum. Textlich wirkt der Song wie ein augenzwinkernder Warnruf – ein Mix aus dunkler Ironie und persönlicher Abrechnung, der sofort Lust auf mehr macht. Melancholische Nachdenklichkeit bestimmt dagegen „It’s All“ – minimalistisch arrangiert, gefühlvoll, fast verletzlich. Es ist ein musikalischer Nachruf, ein „Memorial Song“, wie die 59-jährige Sängerin betont, gewidmet alten Freunden, auf deren Beerdigungen sie nicht sein konnte.
Rock’n’Roll mit Rückgrat
„Rolling Along“ hingegen ist ein fröhlicher, optimistischer Song über Motivation und Durchhalten im Leben. Rockabilly-getränkt animiert diese Nummer zum Weitermachen – ein musikalischer Muntermacher für schwierige Zeiten. Und „Miss Fortune“ richtet sich an alle, „die keinen Funken Verstand haben“, wie Golightly trocken kommentiert. Die Textzeile „Your bullshit gauge is broken. I tell you what I’d do. If I were you.“ klingt dabei so charmant-spöttisch, wie nur sie es kann – klug, lakonisch, mit erhobenem Augenbrauen.
Kleine Fluchten, große Haltung
Retro-Hammond-Orgeln dröhnen in „Time“, jazziger Swing bestimmt „Down To One“. Inhaltlich kreist das Album um kleine Fluchten, ums Stolpern durchs Leben, um Charaktere, die sich am Rand behaupten – so lässig erzählt, dass man gar nicht merkt, wie viel Haltung dahintersteckt.
Ehrlicher Garagen-Soul mit Herz
„Look Like Trouble“ ist kein Album, das beeindrucken will – es existiert einfach, als natürliche Fortsetzung einer langen, kompromisslosen Karriere. Und genau das macht es stark: ehrlicher Garagen-Soul mit großem Herz, schmutzigen Fingern und einer Künstlerin, die nichts beweisen muss – außer, dass sie immer noch das tut, was niemand sonst so kann wie sie.


